Erste Hilfe für Gefühlsverarbeitung – Teil 2

 Im 1. Teil haben wir uns mit den Grundlagen und Begriffserklärungen zu Emotionen und Gefühlen auseinandergesetzt. Außerdem wie sich Emotionen und Gefühle unterscheiden sowie wir diese im Körper verarbeiten und was passiert, wenn wir mit diesen in Widerstand gehen. In diesem Blogbeitrag setzen wir uns mit der stimmigen Verarbeitung von Gefühlen auseinander.

Was braucht es zur stimmigen Verarbeitung von Gefühlen?

1. generelle Grundakzeptanz aller Gefühle gegenüber

2. Akzeptieren der aktuellen Gefühle

3. Erlaubnis, dass sich die Gefühle ausbreiten dürfen

4. Stopptafel

5. von außen betrachten

6. Geduld

7. Überprüfen und nachjustieren

1. generelle Grundakzeptanz aller Gefühle gegenüber

Emotionen und deren Verarbeitung durch den Körper (Gefühle) sind wichtige Verhaltensmuster aller Säugetiere und somit auch der des Menschen.

Emotionen helfen uns, Situationen und andere Menschen einzuschätzen. Angst bspw. hilft uns Situationen gut abzuschätzen bzw. zu vermeiden, wenn diese als gefährlich eingestuft werden. Trauer und Tränen helfen uns angestaute Enttäuschungen und Leid abzuschütteln, Wut hilft uns beim Grenzen setzen und Dinge in Gang zu bringen etc.

Deshalb ist es nicht hilfreich, wenn man negative Gefühle auch noch zusätzlich negativ mit dem Bewertungssystem bewertet. Sätze wie: „ich darf nicht weinen“ oder „schon wieder habe ich Angst“, helfen die Situation weder zu entspannen noch zu lösen.

Eine generelle Grundakzeptanz, dass Emotionen und somit die Verarbeitung derer über unseren Körper ein Teil unseres Menschseins sind und einfach dazugehören wie Atmen, Schlafen und Essen ist schon mal eine wesentliche Grundvoraussetzung. Ist diese Grundvoraussetzung nicht vorhanden, ist es hilfreich sich diese zu erarbeiten. Als nächster Schritt ist es wichtig, dass wir alle gerade aufkommenden Gefühle als solche erkennen und anerkennen. Jedes negative Gefühl hat also auch immer einen positiven Aspekt.

2. Akzeptieren der aktuellen Gefühle

Wenn Emotionen aufsteigen und wir genau darauf achten, wo wir diese in unserem Körper gerade spüren und wie wir in diesem Augenblick damit umgehen, hilft uns das schon als nächster Schritt.

  • Wo im Körper spüren wir sie?
  • Wo und wie gehen wir damit auf Widerstand?
  • Was gibt unser aktuelles Bewertungssystem dazu gerade für ein Feedback ab?
  • Was hilft uns, diese Emotionen trotz Widerstand und Bewertungssystem in diesem Moment freier fließen zu lassen?

3. Erlaubnis, dass sich die Gefühle auch ausbreiten dürfen

Die größte Herausforderung ist wohl, dass wir dem, dass wir gar nicht haben wollen, auch noch die Erlaubnis geben sich auszubreiten. Da es unsere bisher abgespeicherten Interpretationen sind, die die Gefühle so fühlen lassen, wie wir sie gerade empfinden, braucht es eine neue Perspektive zu den aktuellen Einstellungen und Umgang der Gefühlsverarbeitung.

Es geht darum, sich ein individuelles, neues Ritual zu erarbeiten. Dafür braucht es viel Experimentieren und das Erlauben, dass es auch immer wieder Fehlversuche geben darf. Bspw., wenn man sich vorstellt, es ist einfach eine Welle, die unseren Körper durchfließt in dem Tempo, dass es gerade braucht, kann es den Umgang damit schon erleichtern. Sich dagegen zu wehren oder versuchen es zu unterdrücken wird dabei bewusst unterlassen. Ganz im Gegenteil, es bekommt sogar die Einladung: „Breite dich aus so weit du willst und bleibe so lange du möchtest“.

4. Stopp Tafel

Die Einladung für die Emotionen, sich im Körper als Gefühlsreaktion ausbreiten zu dürfen, ist kein Angebot dafür, dass wir das Bewertungssystem füttern. Wenn wir Gefühle einladen, dürfen sie von uns nicht zusätzlich über das Bewertungssystem verstärkt werden. D.h. das Hineinsteigern, Dramatisieren uns selbst oder andere Personen zu bedauern oder zu beschuldigen wird bewusst unterbrochen und so weit wie gerade möglich ist unterlassen. Bilder, wie bspw.: eine große Stopptafel oder ein großes Tor, welches wir in unserer Phantasie vor die aufkommenden Bewertungssätze schieben, kann das Muster unterbrechen. Je stärker die Bewertungen hochkommen wollen, desto öfter braucht es den visuellen Einsatz von Stopptafeln. Oft hilft auch ein lautes Denken oder Sprechen wie: „Jetzt ist es genug“ oder ein „ah, danke, dass es mir gerade auffällt, dass sich das Bewertungssystem gerade eingeschalten hat“.

5. von außen betrachten

Nachdem wir die Identifizierung bewusst stoppen, distanzieren wir uns bewusst vom Gefühl (wir externalisieren das Gefühl). Statt zu sagen: „Ich bin das Gefühl“ wird ein „Da ist ein Gefühl in dem Körper“ oder „ein Gefühlsverarbeitungsmodus hat sich gerade eingeschalten“ bewusst innerlich/äußerlich ausgesprochen. Zusätzlich helfen uns Bilder und Geschichten, bspw.: wir sitzen im Kino oder Theater und beobachten auf der Leinwand oder auf der Bühne den Körper und seinen Umgang mit den Gefühlen und Bewertungssystem oder wir ziehen uns in das Auge (den Stillpunkt) des Hurrikans zurück (meine Lieblingsvariante) und beobachten das fleißige Geschehen im umliegenden Sturm. Je mehr wir es schaffen in die Beobachterrolle zu gehen, desto neutraler wird unsere innerste Einstellung zum Geschehen. Statt uns hilflos ausgeliefert zu fühlen, werden wir neugierig und interessiert, was wiederum in unserem Gehirn die Möglichkeit schafft, kreative Lösungen zu finden und experimentell auszuprobieren.

6. Geduld

Wir haben unser jetziges Bewertungssystem und die aktuelle Gefühlsverarbeitung sehr lange trainiert, wie es jetzt funktioniert. Das Umstellen braucht also viel Zeit, die Erlaubnis für Rückfälle und Geduld. Im Grund wird es, subjektiv gesehen, nie fertig sein und doch wird sich rückblickend betrachtet viel getan haben. Eigentlich ist es eine Art neue Lebensphilosophie, die man sich hierfür aneignet und somit auch ein lebenslanger Prozess. Dieser ist, aus meiner Erfahrung heraus, auf jeden Fall jeden Aufwand dafür wert, da man damit eine enorme Lebensqualität zurückerhält und ein freierer Mensch wird. Man steigt aus dem „wenn-dann“ Modus aus, den sich der Großteil der Menschheit angeeignet hat und lebt stattdessen mehr im „Jetzigen Moment“. Man versucht nicht mehr zu fliehen oder zu flüchten, sondern wird präsenter, authentischer und neugieriger und erkennt kreative Seiten, von denen man nicht wusste, dass diese überhaupt vorhanden sind. Der automatische Schutzmodus wird nach und nach abgeschaltet und stattdessen öffnet man sich mehr und mehr dem was ist.

Es braucht auch die Erlaubnis, dass es dauern darf, solange es eben dafür braucht. Jeder Druck und Stress ist nur wieder Futter für das Bewertungssystem.

Hier helfen auch Rituale mit neuen Glaubenssätzen wie: „Wenn ich Samen setze, braucht es auch Zeit, Geduld, Pflege und Wasser bis Pflanzen darauf werden.“ oder „wenn ich auswandern möchte, muss ich auch erst recherchieren, planen, ausprobieren, Koffer packen, etc. bis ich tatsächlich im neuen Heimatort angekommen bin.“

7. Überprüfen und nachjustieren

Sobald wir überzeugt sind, dass wir wissen, wie es funktioniert, ist oft schon wieder ein Hinweis, dass wir bereits die nächste Illusionsblase erzeugt haben und etwas Wesentliches übersehen oder nicht ansehen wollen. Deshalb ist regelmäßiges sorgfältiges hinschauen, hineinfühlen und neu justieren dafür erforderlich. Das menschliche Gehirn neigt dazu, sich aus ein paar wenigen Bausteinen ein neues Bild zu machen, ohne gerne nachzuprüfen.

Wie bereits erwähnt, ist es ein lebenslanger Prozess, den wir, meiner Meinung nach bereits in der Kindheit erlernen sollten, um uns damit viel Leid und Kummer in der Welt zu ersparen.

Im 3. Teil des Blogbeitrags „Erste Hilfe Kurs für Gefühlsverarbeitung“ tauchen wir tiefer in die dafür notwendigen Tools ein.

nähere Informationen wie wir unsere „Realität“ konstruieren findest du auch in meinem Blogbeitrag: „Was ist die Realität?“

sowie mehr Information über das Konstruieren von „Glaubenssätzen“ findest du in diesem Blogbeitrag:  „Glaubenssätze“




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2 Antworten zu Erste Hilfe für Gefühlsverarbeitung – Teil 2

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